Informelle Gesprächsrunde im Krankenhaus St. Hubertus-Stift Bedburg
- Wie wird sich die Krankenhauslandschaft im Erftkreis entwickeln? -
Bei einem „gesundheitspolitischen Spaziergang“ durch den Rhein-Erft-Kreis machten Dr. Georg Kippels (MdB) und Erwin Rüddel (MdB) gemeinsam mit einer kleinen Delegation am Krankenhaus St. Hubertus-Stift Bedburg Station. Die beiden langjährigen Mitglieder der CDU/CSU Fraktion sind in Berlin mit gesundheitspolitischen Ämtern betraut. Während der Bedburger Rechtsanwalt Dr. Georg Kippels unter anderem als Obmann für Gesundheit in der Fraktion sowie im Ausschuss für Gesundheit und Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aktiv ist, war Rüddels aus dem Kreis Neuwied bis 2021 Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Patientenrechte und Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag. Heute liegt sein Schwerpunkt auf dem Thema Digitalisierung im Gesundheitssystem.
Beide haben sich mit dem „gesundheitspolitischen Spaziergang“ zum Ziel gesetzt, ein Stimmungsbild der Gesundheitsversorger aus der Rhein-Erft Region mit auf die Bundesebene zu nehmen, um vor dem Hintergrund der geplanten Krankenhausreform ggf. noch Impulse einzubringen. Die Krankenhausreform gilt laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als „eine Art Revolution“, die aber laut DKG von einem überwiegenden Teil der Krankenhäuser mit großer Skepsis betrachtet wird. Über den Sommer soll ein Gesetzentwurf erarbeitet werden und bereits im Januar 2024 „im Sinne eines lernenden Systems“, so Kippels, an den Start gehen.
Lebhafte Diskussion: Finanzen, Struktur, Bürokratie und Personal im Fokus
Mit einer rhetorischen Frage stieg Geschäftsführer des Klinikverbundes Erft GmbH (St.- Katharinen-Hospital/Stift/Hospiz und Krankenhaus St. Hubertus-Stift Bedburg) Jakob Josef Schall ein. Vor dem Hintergrund einer anvisierten Levelisierung der Krankenhäuser, die eine wohnortnahe Grundversorgung, eine zweite Stufe mit Medizinischen Zentren und schließlich die Maximalversorgung durch Universitätskliniken vorsieht, stelle sich die Frage, „welche 2 Häuser sind denn eigentlich wirtschaftlich gesund? Viele Häuser sind bereits defizitär und müssen etwa von den Kommunen gefördert werden. Wie lange lässt sich das durchhalten? Es leben rund 470 000 Menschen im Rhein-Erft-Kreis“, erläuterte Schall. „Wir haben hier die geringste Bettenanzahl in NRW.“ Trotzdem sei im Laufe der Jahrzehnte eine gut machbare Versorgungsstruktur entstanden, die insbesondere die Notfallversorgung sicherstelle. „Bei bestimmten Krankheiten sind kurze Wege entscheidend“, so Schall. „Es wäre verheerend, wenn wir in die Zeit zurückkehren, in der Herzinfarkt- oder Schlaganfallpatienten über längere Strecken verbracht werden müssen, um eine adäquate Versorgung zu erhalten.“ So sei die Notfallversorgung, die eben auch über die kleineren Häuser im Kreis erfolge, eigentlich nicht diskutierbar. Das fortbrechen gewachsener Versorgungsstrukturen sehe er ebenso kritisch, wie die Auflösung der Polyklinikstrukturen seinerzeit im Osten Deutschlands, die hernach eine große Versorgungslücke hinterlassen hätten. „Was damals kaputt gemacht wurde, muss jetzt mit viel Geld und Arbeit wieder neu aufgebaut werden. Das möchte ich für unseren Kreis eigentlich nicht.“ Stattdessen halte er Verbundlösungen, wie es die Krankenhäuser Frechen und Bedburg seit 2009 machen, für zukunftsfähig.
Die DKG meldete indessen, „69 Prozent der Kliniken sehen ihre Existenz kurz- und mittelfristig gefährdet, fast kein Krankenhaus kann seine Ausgaben aus den laufenden Einnahmen decken.“
Dass nicht jedes Krankenhaus nach den Plänen des Gesundheitsministeriums alles machen müsse, sei schlüssig, warf Dr. med. Anton Rausch, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Chirurgie, in die Diskussion ein. Allein: Wer macht dann was? Der Existenzdruck aller Häuser mache es nicht leicht, sich auf eine intelligente Leistungsverteilung zu einigen. Als Beispiel: Da Geburtenstationen in den letzten Jahren aufgrund des noch bestehenden Vergütungssystems überall defizitär betrieben wurden, haben die meisten Häuser die Geburtsabteilungen geschlossen. In Frechen hat man sich entschieden, den Dienst für Schwangere und Gebärende unter hohem Kostendruck wohnortnah aufrecht zu erhalten. Dies kann aber nur mit einer Querfinanzierung durch andere Abteilungen gelingen. Das Interesse an gut vergüteter medizinischer Leistungserbringung ist, wie an den anderen Häusern mit ebenso nachvollziehbar existenziellen Gründen, gleichermaßen hoch. Das Bemühen geschieht in der Regel nicht aus Gewinnsucht, sondern aus der Motivation heraus, möglichst kostendeckend die bestmögliche medizinische Behandlung für die Bevölkerung bereit zu stellen. „Wer wird bei all den Interessenkonflikten schließlich entscheiden, wer welche Behandlungen macht?“, warf Dr. Rausch ein. Derzeit entstehe der Eindruck, man wolle eine Aufteilung über teils unsinnige, teils nicht erfüllbare Qualitätskriterien erreichen. „Ein echtes Potential hätte die Politik beim Thema Entbürokratisierung“, verlautbarte die DKG jetzt nach einer Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Kaum ein Krankenhaus habe aber noch Hoffnung, dass die Reform etwas an der immensen Belastung der Beschäftigten in den Kliniken ändern würde. Pflegekräfte müssten heute drei Stunden ihres Arbeitstages mit Dokumentationsarbeiten verbringen. Dass die Bürokratie auch für die Häuser im Klinikverbund Erft enorme Kapazitäten binde, die man eigentlich lieber am Patienten einsetzen möchte, bestätigte Nicole Léon (stellv. Verwaltungsdirektorin St. Hubertus-Stift) in der Diskussion. Léon: „Mit Corona sind die bürokratischen Anforderungen abermals gesteigert worden.“ Dass die Fallpauschalen durch Vorhaltepauschalen ergänzt werden sollen, sei zu begrüßen. Ob dadurch tatsächlich weniger Bürokratie und weniger wirtschaftlicher Leistungsdruck zu erwarten sei, bleibe abzuwarten. Zum Thema Pflegekräftegewinnung zeigte sich Léon skeptisch. „Das Gesundheitsministerium erwartet, dass durch etwaige Schließungen von regionalen Krankenhäusern Fachkräfte frei werden, die sich dann in anderen Häusern bewerben. Das mag im Einzelfall so sein“, so die Annahme. „Aber auch Pflegekräfte schätzen meist den wohnortnahen Arbeitsplatz. Sie orientieren sich nach dessen Verlust womöglich in andere Berufsfelder um.“ Im Bereich Fachkräftegewinnung aus dem Ausland habe man ebenfalls mit bürokratischen Hürden zu kämpfen, merkte Jakob Schall an.
Ausgestattet mit vielen Insiderinfos schloss Dr. Georg Kippels die gut 90-minütige Diskussion und resümierte: „Es gilt, Krankenhaus-Insolvenzen oder Aufkäufe, bzw. einen Zusammenbruch des Versorgungssystems im Gesundheitswesen zu vermeiden.“
Bild 1. Reihe oben links: Jakob Josef Schall (Geschäftsführer Klinikverbund Erft GmbH), Nicole Léon (stellv. Verwaltungsdirektorin), Petra Kippels (Förderverein St. Hubertus-Stift), Dr. med. Anton Rausch (Ärztlicher Direktor), Dr. med. Andreas Kramer (Chefarzt Innere Abteilung).
2. Reihe v.l.: Chefarzt Anästhesie Valerie Ehrlich, Team Dr. Kippels: Sabine Skwara (Fa. GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG), Dr. Leonie Uhl (Fa. Amgen), Dr. Georg Kippels (MdB), Erwin Rüddel (MdB).